Die ersten zwei Tage in Panama führte mich die Straße entlang der Karibikseite durch dichten Dschungel. Sehr gerne wäre ich noch diese paradiesischen Wege weitergefahren. Da die Panamericana, die entlang des Pazifiks führt, die einzige Verbindung nach Panama City ist, musste ich erneut über die Berge auf die Südseite des Landes fahren. Sobald der Pass überwunden war, wurde es schlagartig trocken und das Landschaftsbild wandelte sich komplett. Meine Nacht in „Gualaca“ im Westen Panamas, an einem tollen kleinen Canyon gelegen, war das vorerst letzte Highlight auf dem Weg in die Hauptstadt. Von hier aus ging es über 500 km entlang der Panamericana, die hier eine stark frequentierte mehrspurige Autobahn ist. Immerhin gab es einen Seitenstreifen! Dann hörte es aber leider schon mit den Annehmlichkeiten auf. Bei brütender Hitze und langen Gegenwindpassagen ging es teilweise nur im Schneckentempo voran. Obwohl ich wie verrückt in die Pedale trat, fuhr ich nur mit 8-10 km/h auf der Ebene. „Für was wurde ich denn nur so bestraft?“ An schlechtem Karma konnte es ganz sicher nicht liegen…!?
Der Lärm des vorbeirauschenden Verkehrs verbesserte die Situation überhaupt nicht. Und so zweifelte ich immer mehr an mir und meinem Abenteuer kurz vor der Hälfte meines Vorhabens. Mit nur wenig erholsamen Schlaf (in den Nächten fiel das Thermometer nicht unter 35 °C), hatte ich einen richtigen Durchhänger und keine Energie mehr.
Die letzten Kilometer nach Panama City wurden nochmal herausfordernd. Eine 30 km lange Baustelle zog sich bis zur „Brücke der Amerikas“, die den Panamakanal überquert und direkt nach Panama City führt. Das Unangenehme war, dass sich die Straße verengte, der Seitenstreifen nicht mehr benutzbar war und ich mir mit unzähligen Autos und riesigen LKWs die Straße teilen musste. Das verlangte viel Selbstbewusstsein ab. Ich durfte nicht daran denken, was passieren könnte, sondern trat wie ein Verrückter in die Pedale. In „Panama City“ angekommen war ich vor allem geistig total ausgebrannt, sehr erschöpft aber unfassbar froh diesen Abschnitt unbeschadet überstanden zu haben. So oft ich auch immer tolle Abenteuer auf meiner Tour erlebte, so sehr stelle ich doch fest, wie gefährlich manche Momente sind und wie sehr sie mich an meine Grenzen bringen.
Nachdem ich den Panamakanal überquert hatte und in „Panama City“ ankam, realisierte ich erst, dass ich nach knapp 11.000 km nun die Hälfte meiner Tour bestritten hatte. Ich war unfassbar stolz auf mich!
Seit dem 1. August bin ich mit dem Fahrrad unterwegs von „Calgary“ auf dem Weg nach Ushuaia. In den letzten 8,5 Monaten habe ich so viel erlebt, erfahren und gelernt, vor allem auch über mich selbst, dass ich das gar nicht alles in Worte fassen kann.
Ich hatte besonders tolle Begegnungen mit wundervollen Menschen, die mich wie einen Teil ihrer Familie bei sich aufnahmen.
Mir sind Dinge widerfahren, die ich niemals für möglich gehalten hätte und irgendwie funktionierte alles, auch wenn ich die genommene Wendung so niemals erwartet hätte. Mein größtes Learning, was mich teilweise immer wieder vor neue Herausforderungen stellt, ist: „Vertraue dem Prozess und habe den Mut, dich voll darauf einzulassen.“
„Kontrollabgabe“ ist das Stichwort, was mir häufig schwerfiel und teilweise immer wieder schwerfällt. Sobald ich etwas loslasse, ergeben sich dann meist unerwartete und fantastischste Möglichkeiten.
„Leben ist eben das, was sich zwischen den Plänen abspielt“!
In Panama City verbrachte ich einige Tage, versuchte die Überfahrt nach Kolumbien zu planen und schöpfte neue Kraft.
Henk und Antonita, das Ehepaar aus den Niederlanden mit denen ich mich auf der Baja California angefreundet hatte, kamen zwei Tage nach mir in Panama City an. Vor Weihnachten habe ich sie das letzte Mal gesehen und nun fahren wir uns mehrere Tausend Kilometer später wieder über den Weg. Zusammen besichtigten wir die Stadt und fuhren nach Colón, um dort das Visitor Center des Panama Kanals zu besuchen. „Super“ Mario, der wahrscheinlich schlechteste Taxifahrer der Welt, (auch wenn er ganz anderer Meinung war), hatte an diesem Tag den größten Unterhaltungswert. Ruckelnd und kopfnickend von seiner ungleichmäßigen Betätigung des Gaspedals, fuhren wir von Colón zum Visitor Center. Dabei haute er mit seiner karibischen Lockerheit einen Spruch nach dem anderen raus und war sehr von sich und seinen „Fahrkünsten“ überzeugt.
Nach einer Woche in „Panama City“ und am Ende meiner Zentralamerika Tour steht nun ein neues Kapitel meines Abenteuers an!
Häufig ist es doch so, dass ein Match nach der Halbzeit eine ganz neue Wendung nimmt…
Dasselbe Gefühl habe ich auch, wenn ich an die zweite Hälfte meiner Tour denke und daran, was in Südamerika auf mich wartet. Obwohl ich nicht weiß, was auf mich zukommt, freue ich mich schon sehr darauf!