Auf dem Weg zum kolumbianischen Fernsehstar?!

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Wie ich im vorherigen Blog erzählte, wurde ich beim Drehen eines Interviews in „Necocli“ mit einem Emigranten aus Venezuela von einem Guerillero beobachtet. Dieser glaubte, ich sei Journalist, unterbrach das Interview und drohte mir. Zuerst sah ich das nicht so ernst, jedoch nachdem mir die anderen Anwesenden erklärten, dass mit diesen Leuten nicht zu spaßen sei, wurde mir bewusst, wie gefährlich die Situation eigentlich war. Daraufhin entschied ich mich, gleich am nächsten Tag mit dem Bus nach „Medellín“ zu fahren.

Wir durchfuhren wunderschöne Dschungel- und Berglandschaften. In diesem Moment bedauerte ich es ein wenig, diesen Abschnitt nicht selber mit dem Fahrrad gefahren zu sein. In „Medellín“ angekommen lernte ich in einem Café Juan Carlos kennen, der sich dort mit seinem Sohn auf einen Kaffee traf. Der Sohn Carlos Jr. nahm mich auf seinem Moped mit und zeigte mir die abgelegenen Ecken im Norden der Stadt. Ich war erst eine Stunde dort und wurde angesprochen und unmittelbar zu einer kleinen Ausfahrt eingeladen. Das war super spontan und nett und völlig unerwartet.

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In „Medellín“ wohnte ich für die nächsten Tage in Chris Wohnung In Envigado einem Stadtteil im Süden Medellíns. Chris kommt ursprünglich aus Neuseeland und lebt seit einigen Jahren mit seinem 4-jährigen Sohn in Medellín. Zwei Monate zuvor lernten wir uns auf der Insel „Ometepe“ kennen, verstanden uns sehr gut und schließlich bot er mir seine Hilfe an, wenn ich nach Medellín käme. Eigentlich wollten wir nur ein Bier zusammen trinken. Da er aber mit seinem Sohn gerade seine Familie in Neuseeland besuchte, stand mir seine Wohnung in der Zeit zur Verfügung.

Am Abend bevor er flog, kam ich an und lernte auch direkt die Nanny Mariam kennen, deren Familie gute Freunde von Chris sind. Mariams Eltern waren von meiner Geschichte so gerührt und luden mich am nächsten Tag in ihre Kirchengemeinde ein, um mich eine hiesige Messe miterleben zu lassen. Am Abend zeigten sie mir das Nachtleben und die belebten Straßen Medellíns. Außerdem tranken und aßen wir regionale Spezialitäten. In den nächsten Tagen standen erst einmal viele organisatorische Dinge auf dem Plan:

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Das Fahrrad überprüfen lassen, Bauteile erneuern, was nach 11.000 km unbedingt nötig war und einen kompletten Service durchzuführen. Teilweise musste ich meine Kleidung erneuern und weitere kleine organisatorische Punkte erledigen. Beispielsweise meine neuen T-Shirts mit den Sponsorenbrandings erneut bedrucken zu lassen, war eine Herausforderung für mich. Durch die Hilfe eines Cousins von Mariams Mutter, der eine Designfirma hat, klappte es dann. Ihr Cousin nahm sich mehere Stunden für mich Zeit, half mir eine Druckerei zu finden und am nächsten Tag hatte ich zu einem Spotpreis neue T-Shirts mit Sponsoringlogos.

Meine Zeit in Medellín verbrachte ich nicht nur mit organisatorischen Aufgaben. Unter anderem erkundete ich die Stadt. Die „Comuna 13“, ein berühmter Stadtteil an den steilen Hängen mit kleinen Gassen, bunten Häusern, tollen Graffitis und Breakdance-Künstlern, war definitiv ein Highlight. Noch vor wenigen Jahren war es einer der gefährlichsten Orte Medellíns, wo sich Drogengeschäfte und Bandenkriege abspielten. Mittlerweile unterstützt die Stadt viele Viertel/Barrios und macht sie interessant für den Tourismus – eine neue Einnahmequelle für die Menschen. Durch die Anbindung der Metro und der Metrocable (die Seilbahn, die an den Hängen liegenden Stadtteile verbindet) wird für bessere Vernetzung gesorgt. Medellín ist in Kolumbien, die Infrastruktur betreffend, den anderen Metropolen weit voraus. Zudem setzen sich hier lokale Politiker für mehr Bildung bei Kinder ein, um die Menschen zu unterstützen und die Kriminalitätsrate dadurch zu senken. Die Menschen sagten mir, wie sehr sich die Stadt in den letzten 30 Jahren seit dem Versterben des berühmten Drogenbarons Pablo Escobar zum Besseren gewandelt hat. Mit der Metrocable, erkundete ich weitere abgelegene Comunas an den steilen Berghängen. An diesem Tag lernte ich einen Fotografen namens Hugo kennen, der mit seiner Tochter den Sonntag in der Stadt verbrachte. Wir kamen ins Gespräch und sie schlossen sich mir an und zeigten mir einige Ecken der Stadt.

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Außerdem fiel mein Geburtstag in den Zeitraum, in dem ich in Medellín war. Henk und Antonita, das niederländische Radfahrer-Ehepaar (von denen ich im vorherigen Blog berichtet hatte), kamen einen Tag zuvor auch in der Stadt an. An meinem Geburtstag besuchten wir gemeinsam die „Comuna 13“ und verbrachten einen tollen Tag zusammen. Am Abend trafen wir uns mit Jo (Joana), meiner Baja-Bike-Gefährtin, und Chris, den ich auch auf der Baja kennengelernt hatte, die wie der Zufall es wollte auch in „Medellín“ ankamen. Die Fahrradfamilie war wieder vereint und ich hatte einen wunderschönen Geburtstagsabend. Am nächsten Tag bekam ich nochmal Besuch von Mariams Familie, die mir eine Geburtstagstorte brachten und sich von mir verabschiedeten, da ich am folgenden Morgen meine Tour fortsetzte wollte. Nach 10 Tagen in Medellín kann ich nur von der Stadt und den tollen Menschen schwärmen. Absolut vielfältig und einfach nur schön.

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Nach Medellín ging es weiter nach Bogota. Doch zuerst wollte ich noch ins nahegelegene Guatapé, einen bekannten touristischen Ort den man unbedingt gesehen haben sollte. Die Fahrt dorthin war eine ganz schöne Qäulerei. Wer Medellín kennt, weiß, wie steil die Berge hier sind. In Kolumbien Fahrrad zu fahren, bedeutet extreme Höhenunterschiede in Kauf zu nehmen. So musste ich auf den 75 km bis Guatapé 1200 Meter bergauf, um dann wieder 800 Meter bergab fahren. Der kleine Umweg hat sich aber definitiv gelohnt. Schon von weitem war der berühmte Felsen “El Peñol” zu erkennen. Eine Treppe mit 735 Stufen führt zur Spitze. Von oben hat man einen fantastischen Ausblick über die Lagune mit ihren unzählig verzweigten Wasserwegen und die bilderbuchartige Landschaft. Wie es der Zufall so wollte, begegnete ich oben zwei Jungs aus München, die ich zuvor in „Leon“ in Nicaragua getroffen hatte.

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Von Guatapé aus ging es über die Berge ins Tal und weiter in Richtung Bogota. Es ging die Berge hinauf auf knapp 3000 Meter und dann wieder auf ca. 400 Meter hinunter. Der Temperaturunterschied war gigantisch: Von 15°C in der Höhe ging es ins Tal hinunter in den Dschungel mit extremer Luftfeuchtigkeit und 35 °C. Eine Nacht schlief ich in meinem Zelt. An einem Restaurant fragte ich nach einem Platz zum Campen. Der Besitzer war sehr freundlich und zeigte mir hinterm Haus, etwas von der Straße entfernt, einen kleinen Hügel mit überdachtem Aussichtspunkt. Dort durfte ich mein Zelt aufstellen und musste keine Angst haben, dass am nächsten Morgen alles klatschnass sein würde. Ich konnte mich im Bad des Gasthauses duschen und etwas zu Abend essen. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit machte ich mich auf in mein Zelt. Da es unfassbar heiß und schwül war, baute ich nur das Innenzelt auf, damit ich immerhin etwas Luftzirkulation hatte und nicht wie in einer stickigen Sauna liegen musste. In der Nacht fing, typisch für die Tropen, ein ordentliches Gewitter an. Zuerst war ich noch viel zu müde und davon überzeugt, dass das Dach des Aussichtspunktes groß genug sein würde, um den Regen abzuhalten. Es fing jedoch so sehr zu stürmen und zu gewittern an, dass ich in letzter Sekunde, bevor das ganze Zelt klatschnass wurde, den Regenschutz in der Dunkelheit überziehen musste. Sehr beunruhigend war auch, dass die Gewitterzelle immer näher auf mich zukam. Ich lag hellwach im Zelt und zählte den Abstand der Blitze zum Donnergrollen. Die Abstände wurden immer kürzer und schlussendlich lag das Gewitter direkt über mir. Im Sekundentakt schlugen die Blitze ein und es knallte. Das Donnergrollen war ohrenbetäubend und die Luft bebte. Ein Gefühl von Faszination und absolutem Respekt für die Natur machte sich auf. Als dann in der Nähe ein Blitz wie ein überdimensionaler Peitschenhieb einschlug, hatte ich echt Angst und hoffte nur, dass mich das Dach genügend schützen würde. Jeder, der schon einmal ein ordentliches Tropengewitter miterlebt hat, weiß wie extrem die Blitze einschlagen und wie gefährlich das sein kann.

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In einem sicheren Haus zu sein und so etwas zu beobachten mag sehr faszinierend sein, aber im Zelt den Elementen ausgesetzt zu sein, ist eine andere Hausnummer und echt beängstigend. Nach wenigen Minuten zog das Gewitter weiter und nach eineinhalb Stunden endete der Regen. So schnell wie es begonnen hatte, hörte es auch wieder auf und die Nacht war friedlich, als wäre nichts gewesen. Manchmal kann man nicht entscheiden, wo man übernachten muss, aber solche Erfahrungen möchte ich gerne in Zukunft auf ein Minimum beschränken. Am nächsten Tag ging es durch ein langes Tal und dann nochmal zwei Tage steil bergauf nach Bogota, das auf 2600 Meter liegt. 100 km vor Bogota musste ich einen Tunnel durchfahren. Kurz vor dem Tunnel war ein Restaurant, wo ich Mittag gegessen hatte und mich dann aufs Fahrrad setzen wollte, um meine Fahrt fortzusetzen. Zwei Fahrradfahrer, die während des Essens mit mir sprachen, meinten, dass es verboten sei, den Tunnel mit dem Fahrrad zu befahren. Vor allem hätte dieser keine Lichter und liege in einer Kurve. Da sie mit dem Auto angekommen waren und auf dem Dachgepäckträger noch Platz für mein Fahrrad hatten, nahmen sie mich mit und boten mir an, in ihrem Haus zu übernachten. Leidy und Jamie fragten mich, ob ich Lust hätte, am nächsten Morgen einen Fahrradausflug mit ihrer Fahrradgruppe zu unternehmen. Einer der Mitfahrenden war Nelson. Er kommt aus Bogota und besuchte eine Freundin. Er war so begeistert von meiner Geschichte, dass er mir versprach sich dort um Interviews zu kümmern. Er wollte unbedingt, dass die Medien von mir berichten.

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Am nächsten Tag fuhr ich dann in die Hauptstadt. Ich muss ehrlich sagen, dass ich eigentlich gar nicht nach Bogota wollte. Nachdem mir von nahezu jedem gesagt wurde, wie gefährlich die Stadt wäre und dass überall Raubüberfälle stattfinden, war ich nicht sicher, ob das so eine gute Idee sei, in die Stadt zu fahren. Außerdem ist es immer ziemlich stressig, mit dem Fahrrad in eine so riesige Metropole zu fahren. Bogota ist eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt und hat ca. 10 Millionen Einwohner. Der Straßenverkehr ist hektisch und keiner achtet auf den Anderen. Zum Glück gibt es einige Fahrradwege, die das Fahren deutlich erleichtern. Als ich in meinem Hostel ankam, rief mich kurz darauf Nelson an. Er erzählte mir, dass er seine Kontakte spielen ließ und für mich ein Interview im größten Fernsehsender des Landes im „Caracol TV“ organisiert hatte. Seine Frau wäre die Nichte des Redaktionsleiters der bekannten Talkshow „Dia a Dia“, bei dem ich zwei Tage später eingeladen war. Nelson gab mir die Nummer des Redaktionsleiters, den ich unverzüglich anrufen sollte. Total baff und ziemlich perplex aber überglücklich über diese tollen Neuigkeiten zückte ich sofort mein Telefon und meldete mich bei Nelsons Bekannten. Fest stand, dass die Sendung live war und sie komplett auf Spanisch stattfinden würde.

 

Zwei Tage später wurde ich um 6 Uhr morgens von einem Mitarbeiter des Fernsehsenders abgeholt und zum Sendegelände gebracht. Unzählige Polizisten mit ihren Golden Retriever als Drogenspürhunden patrouillierten. Ich musste mit meinem Fahrrad durch einen Sicherheitscheck, wie an einem Flughafen und bekam einen Tagespass ausgestellt. Erst jetzt durfte ich das Gelände betreten und wurde gleich von zwei Journalisten, die mich an diesem Tag betreuten, in Empfang genommen. Zusammen gingen wir zum Studio von „Dia a Dia“. In einem riesigen Studio warteten schon unzählige Leute. Überall wuselten Moderatoren, Make-up-Artisten, Kameraleute und Journalisten herum. Mir wurden einige Gäste vorgestellt, die vor mir interviewt werden sollten. An diesem Tag waren aber ein bekannter Volksmusiker, den ich nicht kannte und ich die Hauptinterviewgäste. Ein totales Gewusel, aber auch total interessant, so etwas direkt mitzuerleben. Bevor die Sendung live ging, übte ich einmal mein Einfahren mit meinem Fahrrad. Dann musste ich mein Fahrrad aus dem Studio herausschieben und erstmal warten. Als letzter Programmpunkt des Tages kam dann mein Auftritt. Ich habe mittlerweile schon ein paar Fernsehinterviews gehalten, aber keines war live und vor allem komplett auf Spanisch. Seit 6,5 Monaten hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst Spanisch gelernt und das auch zum Großteil nur auf der Straße. Ich dachte mir nur: „Ich gebe jetzt mein Bestes und wenn ich einige Fehler mache, dann ist das auch nicht tragisch.“ Dennoch war ich nervös.

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Dann ging es auch gleich los. Ich wurde anmoderiert, fuhr mit meinem Rad ins Studio, machte eine Runde um die Couch und das Interview begann. Besonderes Interesse hatten die Moderatoren an meiner „Fahrradküche“. Das ist meine Tasche mit meinen Kochutensilien, Lebensmitteln und meinem Gas-Kocher. Seit Panama hatte ich meinen Kocher gar nicht mehr genutzt. Da Kolumbien so günstig ist, esse ich meist in kleinen Restaurants oder Ständen entlang der Straße. Ich koche eigentlich sehr gerne, aber dann mit einer ordentlichen Küche, genügend Platz und fließend Wasser. Das Kochen irgendwo in der Pampa fällt meist relativ einfach aus, da ich gar nicht so viele Lebensmittel mittransportieren kann. Dann nervt es auch zu bedenken, ob an dem Übernachtungsort Wasser zur Verfügung steht oder ob ich meine Wasserreserven einteilen muss, damit ich für die Nacht und den nächsten Morgen noch genügend Wasser übrighabe. All diese Überlegungen führen dazu, dass ich mir lieber ein schnelles Abendessen an der Straße besorge. Dies versuchte ich halbwegs den Moderatoren auf Spanisch zu vermitteln.

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Am Ende meiner „Küchentour“ sollte ich noch meinen Kocher demonstrieren, der zum Vorheizen erstmal eine große Stichflamme ausspuckt, die dann langsam kleiner wird und dann zum Kochen richtig dosiert werden kann. Da dies einige Sekunden dauert, konnte ich das Feuer nicht, wie von den Moderatoren erwartet, direkt wieder ausmachen. Als die Stichflamme kam, merkte ich die Nervosität einiger im Studio. Wahrscheinlich rechneten schon Mitarbeiter damit, dass sich gleich ein Feuer ausbreiten könnte.

Besonders freute mich, dass ich, als ich zu meiner Tour und zu meinen Zielen der Tour befragt wurde, genau darauf eingehen konnte, was mir besonders am Herzen liegt: „Menschen zu inspirieren an sich selber zu glauben und auch in schwierigeren Situationen den Mut zu behalten und weiter zu machen“.

Zum Interview!

Und genau dies ging auch komplett auf! Nach meinem Interview hatte ich über 1000 Follower mehr und unzählige Nachrichten auf Instagram. Verschiedene Menschen waren begeistert, bedankten sich für die tolle Geschichte, waren sehr inspiriert und wollten sich mit mir treffen.

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Ein Junge schrieb mir beispielsweise, dass er es toll findet, was ich mache und dass er in Zukunft auch gerne so wäre wie ich, was ich als höchstes Kompliment betrachte und mich riesig darüber gefreut habe. Andere schrieben mir, dass sie auch größere Herausforderungen haben und sie durch das Interview wieder Mut gefasst hätten. Eine tolle Nachricht kam von Diana, die vor kurzem einen Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen hatte. Ihr Partner sah mich im Fernsehen und meinte, dass es ihr helfen würde, wenn sie sich mit mir austauschen würde. Am nächsten Tag trafen wir uns in einem Café und unterhielten uns, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Ich konnte Dianas Situation sehr gut nachempfinden, da ich nahezu dieselben Erfahrungen gemacht habe. Einige Ärzte seien sehr ruppig und verständnislos mit ihr umgegangen, dazu noch die Situation über die sie niemand richtig aufgeklärt habe, brachte sie häufig zur Verzweiflung. Sie fühlte sich das erste Mal seit ihrem Vorfall gehört und verstanden. Wundervoll war zu sehen wie erleichtert sie war. Unser Gespräch nahm ihr viel Druck ab und gab ihr einige Tipps für sie aber auch ihrer Familie im Umgang mit ihr.

Ich bin richtig berührt und dankbar und freue mich so sehr, dass ich mit diesem Fernsehinterview derart viele Menschen erreichen konnte. Auch das Treffen mit Diana erfüllte mich total, da es genau das ist, was ich mit meinem Projekt erreichen möchte, nämlich anderen Menschen zu helfen und ihnen Mut zu machen!

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Nach dem Fernsehinterview traf ich mich noch mit Nelson, der als Professor für Ingenieurwissenschaften an der Technischen Uni in Bogota arbeitet. Er lud mich für den folgenden Tag zu einem seiner Seminare ein, bei dem ich vor einer kleinen Gruppe von Masterstudenten sprach. Ich bin sehr glücklich Nelson getroffen zu haben, weil er ein toller Mensch ist. Außerdem bin ich ihm unfassbar dankbar für seinen Einsatz und das TV-Interview, welches er mir ermöglicht hat.

All das hat sich ermöglicht, obwohl meine Absicht nach „Bogota“ zu kommen ursprünglich eine ganz andere war. Ein Grund, weshalb ich die Stadt besuchen wollte, war eine Kinderkrebsklinik zu besuchen und den „Señor de los Libros” zu treffen. Nach vielem Hin und Her klappte der Besuch in der Klinik leider nicht. Aber Jose Alberto Guiterrez, der als ehemaliger Müllabfuhrwagenfahrer alte Bücher sammelt und diese bedürftigen Kindern, Schulen usw. spendet und in den Medien als „El Señor de los Libros“ bekannt ist, wollte ich unbedingt besuchen. Da er mit seiner Arbeit und seinen Büchern armen Menschen und vor allem Kindern neue Perspektiven verschafft und etwas verändern will, wollte ich ihn gerne treffen und interviewen.

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Leider lebt er ganz im Süden Bogotas in einem der Armenviertel, die an einigen Ecken sehr gefährlich sein können. Die generelle Sicherheitslage in Bogota ist nicht gerade berauschend und viele Menschen haben mir deshalb empfohlen, die Stadt lieber auszulassen. Generell wurde ich in Lateinamerika immer wieder vor bestimmten Städten und Regionen gewarnt, die besonders unsicher und gefährlich seien. Sobald ich dann diese Orte erreicht oder gefährliche Gebiete durchfahren hatte, hieß es, dass die andere Region, an der ich zuvor war, noch viel dramatischer wäre, es aber in diesem Gebiet gar nicht so schlimm sei.

Im Süden Bogotas reihen sich, ähnlich wie die „Favelas in Rio de Janeiro“, die Armen- und Elendsviertel der Stadt an den Hügeln. Gerade hier wächst die Stadt besonders schnell und die Menschen bauen mit einfachsten Mitteln meist illegal ihre Häuser, die häufig keinen Wasser- und Stromanschluss haben. Nur selten kommt hier die Müllabfuhr vorbei und die Polizei verirrt sich auch nicht allzu oft in diese Gebiete. Ursprünglich hatte ich mit Jose Alberto ausgemacht, dass mich ein befreundeter Polizist zur Sicherheit mit seinem Motorrad eskortiert. Da dieser leider kurzfristig keine Zeit hatte, fuhr ich alleine mit meinem Rad. Jose sagte mir, dass es in seinem Gebiet ruhig „tranquilo“ sei und ich mir tagsüber definitiv keine Gedanken machen müsse. Von unnötigen Stopps würde er mir aber abraten. Es war ein Sonntag und wie in allen großen Städten Lateinamerikas waren die Hauptstraßen für den Verkehr gesperrt, sodass Radfahrer und Fußgänger sich ungestört bewegen können. Bis zum Stadtzentrum, welches relativ weit im Süden liegt, war die Fahrt total entspannt. Je weiter ich nach Süden fuhr, desto mehr verschlechterte sich die Qualität der Straßen und immer mehr Müll lag am Straßenrand. Teilweise durchfuhr ich sehr unheimliche Gebiete und befolgte Joses Rat, zügig und ohne Pausen durchzufahren. Meistens war jedoch viel Leben auf den Straßen; die Menschen hörten Musik, tranken Kaffee und unterhielten sich. Obwohl ich mich nicht unsicher fühlte, wurde ich ziemlich häufig komisch angeschaut – wahrscheinlich nur, weil sich Ausländer selten in diese Ecken der Stadt verirren. Die letzten Kilometer ging es steil bergauf und bei über 2800 Metern kam ich ziemlich erschöpft und außer Atem vor seinem Haus an.

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Jose Alberto empfing mich wie einen alten Freund und führte mich in sein Haus. Das Untergeschoss war bis unter die Decke vollgestopft mit Büchern. Im Vergleich zu vor ein paar Jahren sei es seiner Meinung nach relativ leer. Damals konnte man nur noch durch schmale Gänge durch das Haus gehen. Im Obergeschoss wohnt er mit seiner Frau und seiner Tochter. Die gigantische Bücherwand im Wohnzimmer und das Schlafzimmerregal waren die einzigen Orte im Obergeschoss, wo seine Ehefrau Bücher erlaubt. Stolz zeigte mir Jose Alberto seine zwei Lieblingsbücher: „Siddhartha“ von Hermann Hesse und „Krieg und Frieden“ von Tolstoi. Das Hermann Hesse Buch war seiner Meinung auch ausschlaggebend dafür, dass eine Dokumentation in Coproduktion von ARTE und dem Bayrischen Rundfunk über ihn gedreht wurde. Sehr zu empfehlen, wie ich finde: https://bernsteinfilm.de/buecher/.

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Wir unterhielten uns den ganzen Vormittag und es war faszinierend zu sehen, was er alles in 25 Jahren, in denen er sein Projekt betreibt, geschafft hat. Er wurde schon in vielen Ländern der Welt auf Kongresse eingeladen um dort von seinem Projekt zu berichten. Schmunzelnd erzählte er, dass er auf diesen Kongressen zwischen wichtigen Menschen und Politikern saß und immer würdevoll als „El Señor de los Libros“ angekündigt wurde aber eigentlich nur ein einfacher Müllabfuhrwagenfahrer aus Bogota sei. Sein Wunsch ist es, das Projekt noch viele Jahre weiter voranzutreiben und auszubauen. Das ist leider nicht einfach, da er ausschließlich von Spenden abhängig ist. Noch vor ein paar Jahren hatte er von der Stadt einen Lieferwagen als mobile Bibliothek gestellt bekommen. Mit diesem fuhr er in weit abgelegene Regionen des Landes, um dort Menschen mit Büchern zu versorgen. Seit Corona gab es jedoch neue Regelungen und Einsparmaßnahmen und die Stadt hat das Auto zurückverlangt. Trotz dessen schaut er positiv in die Zukunft und hofft auf weitere Unterstützer. Sein größter Wunsch sei es jedoch, einmal im Leben auf die größte Büchermesse der Welt, nach Frankfurt zu gehen.

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Ich bin richtig dankbar, dass ich den Weg nach „Bogota“ und zu Jose Alberto gemacht habe. Dieser Tag war eine absolute Bereicherung und unfassbar inspirierend für mich. Insgesamt freue ich mich riesig und muss mich wiederholen, dass ich so dankbar bin, was mir bisher alles auf meinem Abenteuer widerfahren ist. Nie im Leben hätte ich mir das so ausgemalt.

So geht es weiter!

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