Von San Francisco über L.A. und bis nach San Diego

4. Etappe 03.10. – 09.11 1180 km 10.000 M ↑ 9200 M↓, 64 h

Auf meinem Weg von San Fracisco bis nach San Diego druchfuhr ich einzigartige Landschaften hatte viele inspirirende Begegnungen und kam der mexikanischen Grenze immer näher.

Von San Francisco ging es über Santa Cruz, wo ich 10 Tage bei David, einem ehemaligen Hirntumorpatienten verbracht habe. Mit David habe ich ein besonderes Abenteuer unternommen.

IMG 20221014 183349 min

In der Zeit, die ich bei David verbrachte, habe ich seine ganze Familie kennengelernt. Sie alle haben mich herzlich empfangen und mir inspirierende Freunde der Familie vorgestellt. Davids jüngere Brüder leben in Beverly Hills, Los Angeles, wo ich sie auf meiner weiteren Fahrt besuchte und für ein paar Tage unterkommen konnte.

DSC00739 min

Schon in San Francisco wurde mir von der Küstenlandschaft des Big Sur State Parks vorgeschwärmt. So freute ich mich, diesen über 200 km langen malerischen Steilküstenabschnitt Kaliforniens entlang zu fahren. Mehrere Viadukte ziehen sich hier über die steilen Schluchten und in der Früh, sowie am Abend, bildete sich am Meeresspiegel ein mystischer Nebel.

DSC00756 min

DSC00749 min

Meinen Schlafplatz an diesem Abend, der zu den absoluten Highlight Campingplätzen auf meiner Reise zählt, fand ich per Zufall kurz oberhalb des berühmten Mc Way Falls. Dieser Platz, der nur zu Fuß über einen steilen, schmalen Weg erreichbar ist, war so absolut magisch und energiereich, dass ich es kaum beschreiben kann. Ich denke, das Foto spricht für sich.

Ich habe mich, wie zuvor schon bei den Redwoods unfassbar lebendig und voller Energie gefühlt. Gleichzeitig strahlte dieser Platz auch eine Ruhe und eine friedliche Energie aus. Zuerst dachte ich, dass ich der einzige Mensch an diesem Platz an diesem Tag wäre, doch am Abend kam eine junge Familie vorbei.

DSC00753 min

Bei unserem Gespräch erzählte mir der Vater der Familie, Todd, dass dieser Platz sehr bedeutend sei, da hier die ursprüngliche Hippie-Bewegung, die sich später in San Francisco zusammengefunden hat, ihre Wurzeln hatte. Dieses Gefühl, an einem so historischen und besonderen Platz zu übernachten, war einmalig und hat mir eine Gänsehaut verschafft.

Am nächsten Morgen lud mich die Familie ein, sie auf meinem weiteren Weg in San Diego zu besuchen, was ich dann drei Wochen später auch tat.

 

Am diesem Tag traf ich auch Joanna Davis oder kurz Jo aus England, die von Boston aus mit ihrem Fahrrad an die Westküste gefahren war und nun auch auf dem Weg nach Ushuaia, dem südlichsten Festlandpunkt Südamerikas ist. Als wir uns verabschiedeten, witzelten wir rum, dass wir uns wahrscheinlich noch das eine oder andere Mal über den Weg fahren würden und tauschten die Nummern aus. Tatsächlich sollten wir damit recht behalten.

IMG 20221019 100846 min

In den nächsten beiden Tagen sah ich entlang der Küste zum ersten Mal Seeotter und Seeelefanten. Die Seeelefanten waren zwar deutlich kleiner als ihre Verwandten in Südamerika, die ich wahrscheinlich oder hoffentlich noch in Patagonien zu Gesicht bekomme, dennoch mit drei bis vier Metern Länge immer noch ziemlich imposante Tiere.

Beeindruckend waren die immerwährenden Kämpfe der Männchen, während die Weibchen am Strand lagen und entspannten.

DSC00785 min

Mein weiterer Weg führte durch San Luis Obispo wo ich bei drei Jungs unterkommen konnte, die zusammen eine erfolgreiche Kombucha Brauerei mit einem großen Team führen.

Whalebird Kombucha, hat sich in Südkalifornien mittlerweile durch ihre vielfältigen Geschmacksrichtungen, ihr ausgefallenes Logo und die coolen Designs einen Namen gemacht und wird immer mehr zum Trendgetränk auf Festivals oder Livestyle Cafés und Bars.

IMG 20221024 120155 min scaled e1675226008204

 

IMG 20221021 180757 min scaled e1675252637865

Die drei Jungs, Mike, Lee und Jake sind schon seit ihrer Studienzeit sehr gute Freunde und leben seit mehreren Jahren zu dritten in einer WG. Die Jungs haben etwas von einer Surfer Mentalität und sind absolut herzliche Menschen, die mich sofort willkommen hießen und von denen ich einiges lernen durfte. Am ersten Abend bin ich mit den Jungs zusammen zu einem Storytelling-Abend gefahren, der mich nachhaltig beeindruckt hat. Mike ist Mitglied einer Männergruppe, in der sich Männer aus allen möglichen Altersbereichen treffen und über ihre Gefühle und Probleme sprechen, sich austauschen und Ihre Gedanken teilen, um neue Perspektiven zu bekommen und mit Problemen besser umgehen zu können, oder sich einfach auszusprechen. Das hat mir sehr gut gefallen, da ich das bereits schon seit längerer Zeit mit Freunden aus Deutschland mache.

DSC00805 min

 

Durch die Männergruppe kam es zu diesem Storytelling-Abend im Hinterland von San Luis Obispo.

Wir fuhren in der Dunkelheit auf eine abgelegene Ranch in den Bergen der kalifornischen Küste. Ein wunderschönes Anwesen mit besonderen Menschen, die ich sonst wahrscheinlich nie kennen gelernt hätte.

Die Geschichten der Erzähler waren total mitreißend und blieben mir bis heute im Kopf, so dass ich mich absolut inspiriert fühle, so etwas auch in Deutschland mit Freunden zu machen. Zum Abschluss saßen wir noch am Lagerfeuer und haben über das Leben philosophiert.

IMG 20221022 171116 min

Ein weiteres Highlight mit den drei Jungs war das Fahrradrennen SLO Little 500. Hierbei handelt es sich um ein total verrücktes Fahrradrennen, bei dem sich unzählige Teams in den wildesten Kostümen auf einem der Hügel oberhalb von San Luis Obispo treffen. Bei diesem Rennen ging es nicht darum zu gewinnen, sondern eher darum, den meisten Spaß zu haben, das meiste Bier getrunken und definitiv nicht als Erster im Ziel anzukommen.

Auch für mich war es ohne Alkohol ein absolut lustiger Tag. Unser Team hatte mit Abstand das schlechteste Fahrrad des ganzen Rennens.

IMG 20221025 WA0002 min e1675226276420

Selbst für die anderen Teilnehmer, die deutlich kleiner waren als ich, war es schwer, weil das Fahrrad mehr ein Kinderfahrrad als ein normales Gefährt war.

Als ich an die Reihe kam, war es für mich unmöglich das Gleichgewicht zu halten und schnell zu fahren, da meine Knie bei jedem Treten oberhalb des Lenkers waren. Wer sich einen Riesen auf einem Kinderfahrrad vorstellt, hat das richtige Bild im Kopf. Dieses Rennen war absolut lustig und zeigte mir, dass die Amis ganz schön wilde Partys feiern können und sich selbst nicht so ernst nehmen.

IMG 20221025 WA0001 min

Besonders schön waren auch die Jamsessions mit Jake und Freunden der drei Jungs, die wir immer wieder abends abhielten. Insgesamt war es so, dass das Haus der drei Jungs immer offenstand und Gäste herzlich willkommen waren.

 

Durch den Besuch der drei Jungs von Whalebird Kombucha kam ich auch in deren Brauerei und habe Einblicke in das Leben eines Start-ups und in das Geschäftsleben bekommen. Mike, der mir als Geschäftsführer alles erklärte und mir die Höhen und Tiefen seiner Arbeit zeigte, inspirierte mich sehr. Er zeigte mir, dass es Innovation und viel Mut kostet, so eine Firma zu gründen, aber auch neue Projekte ins Leben zu rufen und wie wichtig es ist, immer weiter zu denken und nicht an einem Fleck stehen zu bleiben oder aufzugeben.

Als Geschäftsführer ist er absolut konsequent aber auch fair und liebevoll mit seinen Mitarbeitern. Jake ist das Finanzgenie hinter der Firma und Lee der Ingenieur, der mit seinem Know-how alles rund um den Brauablauf entwickelt hat.

 

Auf meinem weiteren Weg Richtung Los Angeles, hielt mitten im Nirgendwo, 20 km von dem nächsten Ort entfernt ein Mann in seinem Auto an und fragte mich, ob ich etwas trinken wolle und was ich mit meinem Fahrrad vorhabe. Als ich erzählte, was ich mache und was ich mit meiner Tour vorhabe, stieg der Mann aus dem Auto aus und fing an zu weinen. Er erzählte mir, dass er seinen Sohn verloren habe und seine Stieftochter einen schweren Unfall überlebte und sich auch wieder zurück ins Leben gekämpft hätte. Bei meiner Geschichte musste er an seinen Sohn denken und dabei strahlte er wieder und meinte, dass ich ein Vorbild sei und sehr inspirierend wäre. Er fand es toll, dass ich nicht aufgegeben habe und nun anderen Menschen meine Geschichte erzähle, um zu zeigen, dass es sich lohnt durchzuhalten.

IMG 20221025 141627 min scaled e1675226511173

Auf meinem weiteren Weg nach Santa Barbara hatte ich meinen ersten Platten in den USA. Ein riesengroßer Nagel durchlöcherte beidseitig meinen Reifen und verformte meine Felge ein wenig. Nach dem Einsetzen des neuen Schlauchs fuhr ich mit einer wellenartigen Bewegung im Schneckentempo die letzten 20 km bis nach Santa Barbara.

 

Eine weitere Begegnung, die mir in Erinnerung blieb, und für mich ein positives Beispiel ist, war die Begegnung in Ventura mit Dennis, meinem Warmshowers Host für zwei Tage. Dennis ist mittlerweile 72 Jahre alt, wirkt aber unheimlich jung und hat extrem viel Lebenserfahrung. Er hat über Jahrzehnte hinweg für Peace Courts weltweit in Krisengebieten Menschen geholfen, unterrichtet und Siedlungen aufgebaut. Dennis hat eine absolut ruhige Art aber dennoch ein souveränes und tolles Auftreten mit einer starken charismatischen Ausstrahlung. Am zweiten Abend sind wir gemeinsam zum Stand Up paddeln in den Hafen von Ventura gefahren.

IMG 20221028 091859 min

Dieser Abend war wunderschön. Beim gemütlichen paddeln kam uns eine Gruppe von Seelöwen entgegen und plötzlich hörten wir einen lauten Knall. Am Abendhimmel sahen wir den glühenden Schweif einer Rakete in den immer dunkler werdenden Nachthimmel ziehen. Als wir wieder am Doc ankamen, erzählte uns ein Passant, dass dies die neue Rakete von dem Programm von Elon Musk Space X sei.

 

Den gefährlichsten Tag meiner Strecke bis hierher hatte ich definitiv nicht in den Rocky Mountains mit irgendwelchen Grizzlybären, sondern auf dem Weg von Malibu entlang des Pacific Coast Highways nach Santa Monica. Die eigentliche Fahrradspur wurde entlang des gesamten Gebiets von Malibu, das sich über 30 km erstreckt, von Autos als Parkstreifen genutzt, so dass für Fahrradfahrer kein Platz ist. Rund um Los Angeles hat der Verkehr so extrem zugenommen und ist zudem deutlich schneller geworden als der Rest des kalifornischen Verkehrs. Mit einer rasanten Geschwindigkeit haben sich die Autos entlang des Highways bewegt und überhaupt keine Rücksicht auf mich als Fahrradfahrer genommen. Als ich nach über zweieinhalb Stunden in Santa Monica ankam, war ich Gott froh, diese Tortur überlebt zu haben. Teilweise war es total knapp mit den Autos, die mich nur um Zentimeter überholten.

DSC00841 min

In Santa Monica besuchte ich natürlich den Santa Monica Pier, sowie Venice Beach. Wie weiter oben schon erwähnt, lebt Davids Bruder Nate in Beverly Hills, so dass ich dort für einige Tage unterkommen konnte. Los Angeles, die Stadt der Engel war einerseits beeindruckend durch die extremen Ausmaße. Knapp 20 Millionen Menschen leben in diesem Ballungsgebiet.

In Deutschland gilt Los Angeles als eine der glamourösesten Städte, darum war für mich extrem erschreckend zu sehen, wie viele obdachlose Menschen in dieser Stadt leben. Der Hollywood-Boulevard mit seinen Sternen am Boden war rund um das berühmte Dolby Theater, in dem die Oscar-Verleihung stattfinden schön hergerichtet, aber nur wenige Meter weiter weg saßen schon Obdachlose und es lag unheimlich viel Müll auf der Straße.

Der Besuch des Hollywood Signs war für mich hingegen ein Highlight in Los Angeles. Die Straße, die sich bis zum Hollywood Zeichen nach oben schlängelt, ist extrem steil und dadurch eine richtige Herausforderung mit dem Fahrrad.

DSC00889 min

Ein weiteres Highlight in Los Angeles war definitiv das Treffen mit meiner Schwester Kim und ihrem Verlobten Mark.

Die Beiden sind aktuell auf einer mehrjährigen Weltreise und hatten auf ihrem Flug von Santiago de Chile nach Sydney einen Layover in Los Angeles. Der Zwischenstopp dauerte sieben Stunden, so dass wir uns für einige Stunden in einem nahegelegenen “Restaurant” treffen konnten. Für mich war es so schön, Kim und Marc wieder zu treffen, die mir unheimlich nahestehen und mit denen ich ein halbes Jahr lang zusammengelebt habe, bevor wir uns für längere Zeit verabschiedet haben.

IMG 20221102 WA0013 min

Von Los Angeles aus ging es nach San Diego. Um dem Verkehr in der Metropolregion zu entgehen, bin ich mit der Metro nach Long Beach gefahren, habe mich aber selten so unwohl gefühlt wie während dieser Fahrt. Überall waren Obdachlose, die teilweise in die U-Bahn uriniert hatten und übereinander auf dem Boden schliefen. Hinter mir saßen Mitglieder einer Gang, die man anhand der unzähligen Tattoos erkennen konnte. Alle hatten mehrere Tränen unter ihren Augen tätowiert, die anscheinend für die ermordeten Freunde stehen, die sie in ihrer Gangzeit verloren hatten.

Weiter ging es dann von Long Beach auf dem Fahrradweg nach San Diego. Long Beach hat seinen Namen nicht von Ungefähr. Ein perfekter mehrere hunderte Meter breiter Sandstrand zieht sich über 40 km entlang.

Je näher ich nach San Diego kam, umso mehr Surfer waren zu sehen. Das südkalifornische Leben, wie man es sich bei uns in Deutschland vorstellt, konnte ich hier beobachten.

DSC00936 min

In San Diego traf ich wieder auf die englische Fahrradfahrerin Jo, mit der ich ausgemacht hatte die Grenze nach Mexiko gemeinsam zu überqueren, da wir beide es für sinnvoll hielten, die anfängliche Zeit in Mexiko aus Sicherheitsgründen nicht alleine zu verbringen.

 

Am letzten Abend in den USA besuchten wir einen Pub und nahmen zusammen mit Will, einem Freund von Jo, bei dem wir übernachteten, bei Fish and Chips an einem Pub Quiz teil.

 

Abschließend kann ich sagen, dass die USA von der Natur her ein wahnsinnig vielfältiges und wunderschönes Land sind. Gerade die Westküste bietet so unterschiedliche Vielfalt und ist nicht umsonst eine der beliebtesten Fahrradstrecken der Welt. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und bin überaus dankbar für die tollen Begegnungen. Was mich in den USA jedoch sehr geschockt hat, waren die vielen Vorurteile einiger Menschen gegenüber den Mexikanern. Viele bezeichneten mich als verrückt und lebensmüde mit dem Fahrrad durch Mexiko zu fahren und warnten mich vor den Menschen dort.

Das Erschreckende für mich waren jedoch eher die Menschen, die gerne mit den Fingern auf andere zeigen, aber nicht die erschreckenden Bilder im eigenen Land wahrnehmen, wie die gigantische Anzahl an Obdachlosen und somit auch die Augen vor der Armut im eigenen Land verschließen.

Nach mittlerweile zweieinhalb Monaten in den USA freue ich mich nun auf eine neue Kultur, ein neues Abenteuer und auf das Unvorhersehbare.

IMG 20221109 212256 min

Das könnte dich auch interessieren