Von Portland entlang der Westküste nach San Francisco

3. Etappe 16.09. – 03.10. Gesamt: 1350 km 14500 M ↑ 14500 M↓, 100 h

Von Portland zur Westküste der USA. Entlang der wilden Oregon Coast zu den Redwoods. Dem Hwy 1 folgend über die Golden Gate Bridge bis nach San Francisco.

Am 16.09. ging es nach 10 Tagen Pause von Portland weiter Richtung Süden. Der Abschied von Bruce und Carolyne, als auch von Laura und Ben war emotional. Obwohl ich nur 10 Tage dort verbrachte, hatte ich eine tolle Verbindung mit ihnen. Auch Chris, der direkte Nachbar, bestand noch darauf, Fotos mit mir und seinen Kindern zu machen, da er mich als absolutes Vorbild empfand und seine Kinder dadurch inspirieren wollte, im Leben auf deren Herzen zu hören.

Die nachbarn der Going Street
Chris, Laura, Sylvie, Cohen, Ben, links und Elay und Noelle rechts von mir. Carolyne und Bruce im Vordergrund

Tag 28: 16.09.

100 km mit dem Bus;139km, 510 M ↑ 570 M↓,5h 51min

Um dem enormen Verkehr zu entgehen, entschied ich mich, einen Teil mit dem Bus zurück zu legen und erst nach Salem (Oregon) weiter mit dem Fahrrad zu fahren.

Nach Salem ging es dann mit dem Rad über die E99 zum Fern Ridge Lake.

 

Tag 29: 17.09.

Über den Hwy 126 zur Westküste nach Florence.

102 km 520 M↑ 590 M↓ 5h 18 min

An diesem Abend traf ich am Campingplatz Ashley und Thomas aus Colorado. Die beiden sind in meinem Alter und haben sich zu Beginn dieses Jahres dazu entschieden, ihre Jobs zu kündigen und ihren Leidenschaften nachzugehen. Thomas arbeitete als Ingenieur bei der Öl und Gasindustrie und verdiente ein überdurchschnittliches Gehalt, entschied sich jedoch nun als Kletter- und Wanderguide im Rocky Mountain Nationalpark zu arbeiten. Ashley war in der Versicherungsbranche angestellt und arbeitet nun als Erlebnispädagogin. Trotz des deutlich geringeren Gehalts, haben beide deutlich mehr Freude, Lebensenergie und Freiheiten, sich auch mal mehrere Wochen am Stück frei zu nehmen. So können sie immer wieder Abenteuer wie ihr diesjähriges von Seattle nach San Francisco durchführen.

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Tag 30: 18.09.

Hwy 101 à Coos Bay

88km, 750↑ 750 M↓, 4h 50min

 

Tag 31: 19.09.

Hwy 101 über Bannon zum Bois Cope Campe Site

68 km 590↑ 590 M↓, 3h 50 min

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In der Zeit in Portland habe ich einen Streetfotografen kennengelernt, der mir empfohlen hat nach Bandon zu fahren, da dort unheimlich schöne Felsen an der Küste zu sehen seien. Diesem Hinweis folgte ich und war begeistert, welch besondere Felsformationen zu sehen waren. Der Face Rock war tatsächlich sehr gut als solcher zu erkennen. Ich hatte das Gefühl, das Gesicht eines gigantischen Felsriesen aus dem Wasser herausschauen zu sehen. Witzig ist immer, dass mich unheimlich viele Menschen ansprechen und mir weiterhelfen wollen. So kam es, dass mich ein älterer Mann aus England ansprach und mir von einem nahe gelegenen Campingplatz erzählte, an dem er vor Jahren war. Er schwärmte von der Magie, die dieser Platz ausstrahlte. Dieser Campingplatz lag etwas abseits vom Highway direkt an der Küste und war ein absoluter Geheimtipp. Am Campingplatz, der an einem kleinen Süßwassersee direkt an der Küste liegt, ankommend, kam mir die Campingplatzwärterin aus ihrem Wohnwagen entgegen. Bevor ich mich vorstellen konnte, sagte Sie zu mir: „Hi, ich bin Meagan, du bist heute der einzige Radfahrer hier. Normalerweise mache ich das nicht, aber heute lade ich dich für eine kostenlose Übernachtung ein“. Während unseres Gesprächs erzählte mir Meagan von ihrem früheren Leben, als sie mit ihrem Mann und ihren Kindern überall auf der Welt lebte. Nachdem ihr Mann bei einem Motorradunfall ums Leben kam, bei dem auch sie schwer verletzt wurde, entschied sie, zurück in die USA zu gehen. Um sich von ihren Verletzungen zu regenerieren benötigte sie über 14 Jahre. Sie erzählte mir stolz, wie sie erst vor kurzem feststellte, wieder ihren Gleichgewichtssinn komplett zurückgewonnen zu haben. Unserer Unterhaltung schloss sich ein weiterer Campingplatzbesucher an, der eine ähnliche Geschichte wie Meagan hatte und sich wieder zurück ins Leben kämpfte. Beide konnten sich sehr gut in mich hinein versetzen und fanden es toll, dass ich mit meiner Geschichte Menschen Hoffnung machen möchte. Beide sagten, wie wichtig ihnen in den ersten Jahren nach ihren Unfällen eine solche Geschichte gewesen wäre, da ihnen meist keine erfolgreiche Genesung oder Aussicht auf Besserung prognostiziert wurde. Beide waren der Meinung, dass die Welt mehr Vorbilder braucht. Ich versuche in dieser Hinsicht meinen Teil dazu beizutragen.

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Auf meiner ganzen Tour wurde ich sehr vom Regen verschont. Aber in dieser Nacht hörte ich  das erste Mal Regen auf mein Zeltdach prasseln. Zudem kühlte es innerhalb von kurzer Zeit stark ab. Die nächsten drei Tage änderte sich daran bis auf kurze Unterbrechungen recht wenig. Dank der guten Ausrüstung war das Regenwetter kein Problem. Dennoch gibt es schöneres als am Morgen das Zelt im Regen zusammen zu bauen und abends in ein klammes und kaltes Zelt zu kriechen.

 

Tag 32: 20.09.

Hwy 101 à Arizona Beach

41km, 420↑ 410 M↓, 2h 25min

 

Bei meiner Mittagspause vor einem Supermarkt traf ich auf Loraine, die mich einlud auf ihrem Campingplatz zu zelten. Loraine ist Parkhost an einem kleinen Statepark der für Tagesbesucher geöffnet ist. Nachdem Sie ihren sehr erfolgreichen Süßwarenladen schloss, da sie sich in der Arbeit verlor und nach langen Traumata zurück ins Leben gekämpft hatte, entschloss sie sich ihrem Herzen zu folgen.  Sie entdeckte Wandern als ihre große Passion, konnte dabei viel über ihre Vergangenheit nachdenken und hat dadurch vereint mit ihrem Lebenswandel über 90kg abgenommen. Von ihrer ehemaligen Therapeutin wurde sie mittlerweile angesprochen Vorträge für andere Menschen in solchen Situationen zu halten.

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Tag 33: 21.09.

Hwy 101 à Brookings

74 km, 810 M↑ 770 M↓, 4h 40min

Dauerregen bei 10 C°

 

Tag 34: 22.09.

Hwy 101 über die Californische Grenze nach Cresent City

63km 430 M↑ 450 M↓, 3h 30min

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Tag 35: 23.09.

Pausentag in Cresent City

In Kalifornien ankommend, verschwanden die Regenwolken, die Sonne kam heraus und die Temperaturen stiegen wieder auf angenehme 20 C°.

Mit dem Überqueren der kalifornischen Grenze beginnt die Region der Redwoods, (Küstenmammutbäume) die mit bis zu 115 Metern die höchsten Bäume der Welt darstellen. Der Jedediah Smith Redwoodpark ist der erste der Redwoodparks die sich bis nach San Francisco ziehen. Das erste Mal solche Bäume zu sehen lässt sich kaum in Worte fassen. Ich fühlte mich so geborgen und in so einer friedlichen, energiegeladen Umgebung wie noch nie zuvor. Kurz zusammengefasst: gigantisch, energiereich, friedlich, magisch. Dieser Park war ein einzigartiges Erlebnis für mich und das bisher atemberaubendste Naturerlebnis auf der Reise. Als ich mit dem Fahrrad, dem kurvenreichen Schotterweg folgend, nicht mehr aus dem Stauen kam, fühlte ich mich unheimlich lebendig. Seit über 2000 Jahren stehen hier einige dieser Riesen und haben so viel geschichtliche Wendungen auf dieser Welt miterlebt und überlebt. Das war schon sehr beeindruckend.

 

Dieser Park war unteranderem schon Filmschauplatz für einige der erfolgreichsten Hollywoodfilme. Szenen aus Star Wars – die Rückkehr der Jedi-Ritter, Jurassic Park und ET wurden hier gedreht.

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Tag 36: 24.09.

Hwy 101 à Prarie Creek Redwood State Park

56km, 770 M↑ 690 M↓, 3h 25min

 

Tag 37: 25.09.

Hwy 101 über Eureka nach Ferndale

113 km, 800 M↑ 820 M↓, 6h 10min

Typisch für die nordkalifornische Küste ist die enorme Luftfeuchtigkeit und der dichte Nebel. Nicht umsonst wird dieses Gebiet auch Küstenregenwald genannt. Und genau aus diesem Grund können hier die Redwoods auch so gut gedeihen und werden so unheimlich groß. So ist es völlig normal, dass morgens das Zelt nass ist und in Küstennähe eine dichte Nebelwand das Sonnenlicht verschluckt. Erst ein paar Kilometer von der Küste entfernt, fährt man in gleißendes Sonnenlicht mit strahlend blauem Himmel.

 

Tag 38: 26.09.

Hwy 101 à Avenue of the Giants

60km, 762M↑ 690 M↓, 3h 15min

An diesem Tag übernachtete ich im Zelt inmitten der Redwoods. Selten war es so still in der Nacht wie an diesem Ort. Zwischen diesen Bäumen liegend, hatte ich das Gefühl sehr beschützt und behütet zu sein und schlief so fest wie selten zuvor.

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Tag 39: 27.09.

Hwy 101 à Legett Drive Thru Tree à Hwy 1 an die Pazifikküste

116km, 1520M↑ 1560 M↓, 7h 10min

 

Tag 40: 28.09.

Hwy 1 à Manchester (CA)

96km, 1160M↑ 1150 M↓, 5h 8min

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Tag 41: 29.09.

Hwy 1 à Jenner

97km, 1150M↑ 1140 M↓ 5h

 

Tag 42: 30.09.

Hwy 1 über Bodega Bay (Die Vögel) nach Olema

92km, 1200M↑ 1060 M↓, 5h 25min

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Das war die dritte Nacht in Folge, in der ich in Kalifornien wild gecampt habe. Einige hundert Meter abseits von der Straße, folgte ich einem Pfad und stellte mein Zelt auf einer Lichtung auf. Auch wenn ich in Canada viele Male im Bären- und Berglöwen-Gebiet übernachtet habe, war ich auch dieses Mal etwas angespannt. Da außer Büschen keine Bäume in der Nähe waren, in die ich meinen Lebensmittelsack hätte hängen können, verstreckte ich ihn im Gebüsch und vergrub ihn unter mehreren kleinen Felsbrocken.   Erschöpft von dem Tag schlief ich schnell ein, bis auf einmal in der Nacht Kojotenrufe aus der Ferne wahrnahm. Zuerst war es nur einer, dann stimmten noch weitere an, bis nach ein paar Mintunten um mich herum gefühlt 100 Kojoten heulten. Wahrscheinlich waren es nur wenige, aber nachts im Zelt kann schon das Geraschel eines Eichhörnchens womöglich ein riesiger hungriger Bär sein . Mit lauter werdendem und näherkommendem Geheule wurde ich immer nervöser und griff mit einer Hand zu meinem Bärenspray und war schon auf das Schlimmste gefasst. Als ich das Gefühl hatte, von einer riesigen Kojotenmeute umzingelt zu sein, wurde es schlagartig ruhig. Jetzt war ich hellwach und lauschte jedem kleinen Geräusch. Hin und wieder raschelte es in der Nähe des Zeltes, aber nach gefühlt einer Stunde der Stille konnte ich nicht mehr aufmerksam sein und schlief ein. Am nächsten Morgen war ich froh, dass nichts passiert war und packte meine Sachen zusammen. Anstelle der Kojoten waren in der Frühe mehrere Rehe auf der Wiese um meinen Schlafplatz und rannten erschrocken davon als ich aus dem Zelt schlüpfte. Glücklicherweise lagen auch meine Lebensmittel völlig unversehrt in ihrem Versteck.

Das zeigt wieder, dass es häufig vollkommen unbegründet ist, solche Angst vor dem Wildcampen zu haben und dass die meisten Tiere keine große Lust verspüren, Menschen zu nahe zu kommen. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen, jedoch passieren diese meist nur, wenn wir einen Fehler machen oder leichtsinnig handeln.

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Tag 43: 01.10.

Hwy 1 à San Francisco

50km, 750M↑ 760 M↓, 3h 10min

An diesem Tag freute ich mich unheimlich loszufahren. In wenigen Stunden würde ich die Golden Gate Brücke auf dem Weg nach San Francisco überqueren. Einer meiner Träume sollte bald in Erfüllung gehen. Auf dem Weg zur Golden Gate dämpfte sich die Vorfreude leider ein wenig, da ich mit jedem Kilometer dem ich der Brücke näherkam, in ein dichtes Nebelmeer fuhr. Der klassische San Francisco Nebel wartete auf mich. Na toll! Aber immerhin authentisch… Die Straße über den Bergrücken nördlich des Golden Gates, war sehr schmal und kurvenreich. Um im Nebel besser aufzufallen hatte ich meine Lichter an und trug meine Warnweste. Trotz dessen fuhr ein Auto dermaßen Nahe an mir vorbei und streifte mich leicht, sodass ich das Gleichgewicht verlor, stürzte, und über den Asphalt rutschte. Der Autofahrer fuhr weiter, als ob nichts passiert wäre und ich lag auf der Straße im Nebel. Trotz Schmerzen sprang ich auf und hievte mein Rad an den Straßenrand, um alles zu begutachten. Bis auf ein paar Schürfungen und eine geprellte Hand ging es mir zum Glück gut. Das Rad und mein Equipment haben leider etwas mehr Beschädigungen erlitten. Zwei entgegenkommende Radfahrer bemerkten, dass der Autofahrer die ganze Zeit auf sein Handy fixiert war und mich wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hatte. Glücklicherweise war der nächste Fahrradhändler nicht weit entfernt und ich konnte das Rad dort reparieren lassen. Bis auf meine Taschen, die ich bisher nur provisorisch mit Tape flickte, konnte alles Weitere repariert werden. 250 Dollar ärmer und noch etwas angespannt von dem Schock kam ich dann an die Golden Gate Brücke. Der Nebel hatte sich zwar etwas verzogen, dafür stürmte es ordentlich und war ziemlich kalt. Nichts desto trotz freute ich mich diese Brücke zu sehen und nahm Susi mitten in der Nacht in Deutschland per Liveschalte mit über die Brücke.

Da der Wetterbericht für den folgenden Tag hervorragendes Wetter prophezeite, machte ich mich am nächsten Tag in aller Früh auf den Weg, erneut zur Brücke zu fahren und nun das Erlebnis voll zu genießen. Bis auf vereinzelte Rennradfahrer, die vor der Arbeit noch eine sportliche Runde drehten, war niemand auf der Brücke. Pünktlich zum Sonnenaufgang erreichte ich den Hawk Hill, von dem man einen fantastischen Blick auf die Brücke und das dahinterliegende San Francisco hat. So kalt, stürmisch und diesig der letzte Tag war, so gegensätzlich war dieser. Ich fühlte mich unheimlich frei und voller Energie. Mit dem wunderbaren Blick auf die Brücke wurde mir bewusst, dass ich aus Kanada bis hier her mit eigener Kraft und Energie gekommen war, um mir einen meiner Träume zu erfüllen. Ich war so glücklich, stolz und dankbar an diesem Ort zu sein.

Ein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen.

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