05.09 – 15.09 10 Pausentage in Portland in der Going Street

Aufgrund einer Infektion musste ich meinen Aufenthalt in Portland verlängern, was sich als eine wunderbare Zeit herausstellte.

Anfangs plante ich mit 3 bis 4 Pausentagen in Portland. Ich wollte mir auf jeden Fall  Zeit nehmen, Street Books zu begleiten, die Stadt anschauen und eine Rehaklinik zu besuchen. (Leider bekam ich von den Rehakliniken aufgrund der Coronasituation nur Absagen, lasse mich davon jedoch nicht abhalten und werde weitere auf meinem Weg kontaktieren.)

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Daniela und Amit interviewen mich für das Youtubeformat Bikestuf PDX.

Über Lauras Kontakte führte mich Amit, ein Filmemacher und Youtuber, der die Fahrradcommunity von Portland mit Geschichten rund ums Fahrradfahren versorgt, durch die Stadt. Zusammen mit seiner Kollegin Daniela, die mich interviewte erstellte er einen Youtubebeitrag der, wie ich finde sehr gelungen ist. Schaut ihn euch gerne an: https://www.youtube.com/watch?v=VuJfJ9BxwwE&t=10s

 

Am zweiten Tag in Portland veranstaltete nun auch Laura in ihrem Garten ein Abendessen bei dem die halbe Nachbarschaft eingeladen war. Auch hier habe ich mich sehr geschmeichelt gefühlt, dass aufgrund meines Besuches ein kleines Fest veranstaltet wurde.

 

Wie schon erwähnt hatte ich seit einigen Tagen diesen unheimlich schmerzhaften Ausschlag unter den Armen. In den letzten Tagen hatte sich der Ausschlag so ausgebreitet, dass sogar die Lymphknoten stark angeschwollen waren und ich mich total erschöpft fühlte und zum Arzt ging. Dort wurden mir Antibiotikum sowie 7 Tage Pause verschrieben. Erstaunlich war, dass mein Körper, sobald ich mir die Ruhe genehmigte, komplett herunterfuhr und ich 3 Tage richtig krank im Bett lag. Nach vier Tagen ging es langsam bergauf und ich begleitete Laura auf ihrer Street Book Tour nach Downtown Portland. Total erschreckend war, dass im Stadtzentrum an jeder Straßenseite unzählige Zelte von Obdachlosen aufgebaut waren und gefühlt jede vierte Person obdachlos zu sein schien. Laura meinte, dass sich die Situation seit Corona deutlich verschlimmert habe und unter anderem aufgrund des schlechten Gesundheitsystems vielen Menschen nicht geholfen werden kann und sie stattdessen dem Drogenmissbrauch verfallen. Ein weiteres Problem ist der extreme Preisanstieg des Wohnungsmarktes und der Mieten, die sich immer weniger Menschen leisten können und somit gezwungen sind auf der Straße zu leben.

 

Umso schöner war, dass bei unserer Bibliotheksschicht sehr viele Menschen auf uns zu kamen und sich riesig über die Möglichkeit ein Buch auszuleihen freuten. Sie haben sich wie normale Menschen gefühlt ohne missbilligend behandelt zu werden.

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Eine Situation hat mich besonders berührt. Ein älterer Mann kam vorbei, spendete zwei seiner Bücher und kam mit mir ins Gespräch. Er war ehemaliger Apotheker und lebte aufgrund von Altersarmut lange auf der Straße. Mittlerweile hat er, ich bin mir sicher, auch durch den Kontakt mit Street Books, eine Wohnung im Randbezirk von Portland. Mindestens einmal in der Woche kommt er in die Stadt um Street Books zu besuchen. Von unserem Gespräch und meiner Geschichte war er so begeistert, dass er unheimlich motiviert und strahlend zu einer befreundeten Frau ging, ihr von mir erzählte und meinte, dass er aufgrund solcher Geschichten dankbar wäre, so etwas miterleben zu dürfen. Solche Geschichten wie meine würden ihm Mut machen, dass es im Leben immer eine Lösung gibt.

 

Der Besuch von Street Books hat mir gezeigt, dass obdachlose Menschen nicht nur drogenabhängige Gestalten sind, die am Leben der Gesellschaft nicht mehr teilhaben wollen, sondern gerade im Gegenteil, durch den Kontakt und eine Perspektive wieder zurück ins Leben finden können. Viele Menschen haben keine Perspektive mehr und brauchen gerade deshalb Mut und eine Inspiration und Menschen die ihnen das Gefühl geben wertvoll zu sein.

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Nach unserer Bibliotheksschicht besuchten wir Powel’s Books, den laut Wikipedia größten Buchlanden der Welt, für den Portland berühmt ist. Zudem stand noch der Besuch einer Kunstausstellung und Gedenkfeier in Portland an, bei der Street Books eingeladen wurde. Die Gedenkfeier wurde zu ehren von Keaton Otis, einem afroamerikanischen jungen Erwachsenen, der durch Polizeigewalt ums Leben kam, veranstaltet. Da er an Literatur und Kunst interessiert war, wurde entlang der Straße in welcher der Mord stadtfand eine Ausstellung veranstaltet.

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In den nächsten Tagen erholte ich mich noch vollends von meiner Infektion und besichtigte die Stadt. Unter anderem ist Portland für seine Streetart berühmt, welche total faszinierend ist. Beim Fahren durch die Stadt entpuppten sich an unzähligen Straßenecken gigantische, bunte und strahlende Gemälde.

 

Einige Male luden mich Bruce und Carolyn, die mich stark an meine Großeltern erinnerten, zum Abendessen ein und stellten mir weitere Nachbarn aus der Straße vor. Bald kannte mich jeder in der Straße und ich fühlte mich so gut aufgenommen, als ob ich schon seit Jahren dort leben würde.

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Chris, Laura, Sylvie, Cohen, Ben, links und Elay und Noelle rechts von mir. Carolyne und Bruce im Vordergrund

Ich bin Laura überaus dankbar, dass sie für mich den Kontakt zu so vielen tollen Menschen hergestellt hat und mir Portland und ihre wertvolle Street Books Arbeit gezeigt hat.

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